Begriffsbestimmung und Häufigkeit
Unter Schwangerschafts-Zuckerkrankheit (SS-Diabetes)
versteht man eine Form der Zuckerkrankheit, die während einer Schwangerschaft
entweder erstmals
auftritt oder erstmals diagnostiziert wird, und meist nach der Geburt wieder verschwindet.
In Europa rechnet man
mit einer Häufigkeit von 3-5%, d.h. in Österreich sind ca. 3500 Mütter mit
ihren ungeborenen Kindern gefährdet. Damit zählt die SS-Zuckerkrankheit zu den
meisten SS-bedingten Erkrankungen. Ein SS-Diabetes führt normalerweise zu keinen
Beschwerden und ist daher nur durch einen generellen Suchtest (screeening)
zu entdecken.
Weshalb kann man einen SS-Diabetes bekommen?
Insulin, ein Hormon der Bauchspeicheldrüse, fördert die
Aufnahme von Zucker aus dem Blut in die Körperzellen und senkt damit den
Blutzuckerspiegel. Wird zu wenig Insulin produziert entsteht der Diabetes
mellitus. Durch den Einfluss der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Insulin an. Wird der
erhöhte Bedarf an Insulin von einer schwangeren Frau nicht durch eine erhöhte
Insulinfreisetzung in der Bauchspeicheldrüse ausgeglichen, entwickelt sich ein
SS-Diabetes und das Ungeborene versucht mit seiner Bauchspeicheldrüse den erhöhten
Insulinbedarf der Mutter auszugleichen. Nach der Geburt verschwindet
normalerweise diese Form der Zuckerkrankheit wieder, da naturgemäß wieder
weniger Insulin benötigt wird.
Risikofaktoren für die
werdende Mutter
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Mütterliches Alter über 30 Jahre |
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Typ II Diabetes (= Altersdiabetes) in der Familie (Eltern, Geschwister, Großeltern) |
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Übergewicht der Mutter (BMI >27
kg/m² vor der Schwangerschaft) [Bestimmen
Sie Ihren BMI!] |
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Bluthochdruck
(>140/90 mm Hg) |
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Schwangerschaftsdiabetes während einer früheren
Schwangerschaft |
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Kinder
mit einem Geburtsgewicht von über 4500 g aus früheren Geburten |
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Fehlbildungen
bei Neugeborenen |
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Mehr als drei Fehlgeburten hintereinander |
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Frühgeburten oder geburtsnaher Kindstod unbekannter Ursache bei früheren Schwangerschaften |
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Zucker im Harn |
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Erhöhter Nüchternblutzucker und gestörte Glukosetoleranz
(>100 mg/dl) vor der Schwangerschaft |
Folgen für die Mutter
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Erhöhtes Risiko |
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für einen SS-Bluthochdruck und Präeklampsie |
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für Infektionen in der SS: Harnwegsinfektionen, Scheidenpilze |
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für eine Kaiserschnittentbindung |
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für die Entwicklung eines Typ II Diabetes innerhalb der nächsten 5 Jahre (in 50% der Fälle) |
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Folgen für
das Ungeborene und für das Baby nach der Geburt
Beim Kind kommt es zu vielen Auffälligkeiten, die ohne Bluttest, Fruchtwasser- oder
Ultraschalluntersuchungen nicht entdeckt werden.
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Nach der Geburt finden sich folgende Symptome und Erkrankungen: |
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diabetische Fetopathie (Hypoglykämie = kindlicher Unterzucker: nach der Abnabelung zu |
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niedrige Blutzuckerwerte durch zu hohe Insulinproduktion des Ungeborenen): Lungenreifungsstörungen mit Atemnotsyndrom, chronischer Sauerstoffmangel, zu viele rote Blutkörperchen, ein zu hohes Geburtsgewicht (>4000 g = Makrosomie) mit der Gefahr von geburtsbedingten Verletzungen, Störungen im Blutsalzhaushalt des Babys, Hypokalzämie mit Tetanie (zu niedriger Kalziumspiegel mit Muskelkrämpfen) |
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zu
hoher Bilirubinwert im Blut (Gelbsucht) und Blutbildung außerhalb des
Knochenmarks |
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Cardiomyopathie
(zu großes und damit zu wenig leistungsfähiges Herz) |
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erhöhtes
Risiko für den Tod des Kindes im Mutterleib |
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erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Übergewicht, Stoffwechselstörungen und Diabetes |
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mellitus im späteren Leben des Kindes. |
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Rechtzeitige Diagnose durch ORALEN GLUKOSE-TOLERANZTEST (o-GTT)
Mit einem normalen Streifentest (Zuckernachweis im Harn) und durch die
Bestimmung des Nüchternblutzuckerwertes (Blutabnahme) bleiben die meisten
Erkrankungen unerkannt.
Aus diesem Grund wird heute
bei JEDER SCHWANGEREN FRAU (außer bei bereits bekanntem Diabetes
mellitus oder Gestationsdiabetes) zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche ein
Zuckerbelastungstest empfohlen. Bei Hochrisikopatientinnen
(siehe Risikofaktoren) bereits im
ersten SS-Drittel.
Wie wird der Zuckerbelastungstest durchgeführt?
Sie sollten mindestens acht Stunden vor dem Test nichts essen und - außer Wasser - nichts
trinken. Kommen Sie daher am besten morgens nüchtern in meine Ordination. Es
wird zunächst ein Nüchternblutzucker aus der Fingerbeere bestimmt. Anschließend
bekommen Sie 75 g einer Zuckerlösung zu trinken (innerhalb von fünf Minuten). In der Folge wird eine und
zwei Stunden später jeweils wieder aus der Fingerbeere der Blutzucker bestimmt.
Nehmen Sie sich also zwei Stunden Zeit in welcher Sie im Wartezimmer warten müssen
(kein zusätzlicher Energieverbrauch durch körperliche Aktivität). Bei
grenzwertigem Ergebnis sollte der Test nach drei bis vier Wochen wiederholt
werden.
Zuckergrenzwerte:
[venöses Plasma]
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ein Nüchternblutzucker
von 92 mg/dl und mehr,
nach einer Stunde ein Blutzuckerwert von 180 mg/dl und mehr,
nach zwei Stunden ein Blutzuckerwert von 153 mg/dl und mehr.
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Was ist zu tun, falls der Test positiv ist?
Nach Diagnosestellung eines SS-Diabetes bei der Mutter muss der Blutzucker, durch eine
Ernährungsumstellung, regelmäßige, risikolose
körperliche Betätigung (Schwimmen, Gehen, Treppensteigen,...) oder bei Bedarf durch Insulingaben,
peinlichst genau eingestellt werden.
Ziel:
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ein Nüchternblutzucker
unter 90 mg/dl,
Blutzuckerwert eine Stunde nach einer Mahlzeit unter 140 mg/dl,
Blutzuckerwert zwei Stunden nach einer Mahlzeit unter 120 mg/dl,
ein HbA1c < 6.5 und keine Ketonkörper im
Harn der Mutter.
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Sie sollten eine Diät
einhalten. Diese muss arm an Fett und reich an komplexen Kohlenhydraten sein
(Kartoffeln, Reis, Pasta). Sie bekommen von mir einen Diätplan mit. Weiteres
sollten die drei Hauptmahlzeiten auf fünf bis sechs kleinere Mahlzeiten über den
Tag verteilt werden, um eine größere Belastung des Zuckerstoffwechsels zu vermeiden.
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Wenn die Diät nicht ausreicht,
ist zusätzlich eine Insulintherapie als derzeit
einzige Möglichkeit notwendig.
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Blutzuckersenkende Tabletten (orale Antidiabetika) sind in den meisten
europäischen Ländern während der Schwangerschaft nicht empfohlen, da derzeit
noch nicht ausreichende Daten zur Anwendung und Sicherheit vorliegen.
Die Insulinzufuhr ist
notwendig, um eine gesteigerte Insulinproduktion des Kindes zu verhindern und
damit die Unterzuckerung des Kindes nach der Geburt zu verhindern.
Sie müssen lernen, Ihren Blutzuckerspiegel 4x pro Tag selbst zu
messen. Die richtige Einstellung ist
Aufgabe eines Diabetologen. Bis zur Geburt erfolgen die Kontrollen im Abstand
von 2-3 Wochen, wenn nötig sogar wöchentlich, da der Insulinbedarf bis zur
Geburt ansteigt. Mit Einsetzen der Wehen normalisiert sich der Blutzuckerspiegel
meist wieder und eine weitere Insulingabe ist nach der Entbindung nur in
seltensten Fällen nötig.
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Als Geburtshelfer überprüfe ich engmaschig
(ein bis drei-wöchentlich) das kindliche Wachstum, die Fruchtwassermenge und die Herzaktion
des Ungeborenen. Bei Zeichen einer beginnend kindlichen Mangelversorgung, von
kindlichem Stress oder zu rascher Gewichtszunahme des Babys muss gemeinsam
entschieden werden, die Schwangerschaft zu beenden (Geburtseinleitung) oder
einen Kaiserschnitt durchzuführen.
Nach der Geburt wird das Kind wie ein unreifes Frühgeborenes überwacht (Sauerstoffzelt, stündliche Blutzuckerkontrollen usw.).
Wenn die
Schwangerschaft vorbei ist,
sollten Sie darauf achten, dass Sie ein erhöhtes Diabetesrisiko haben. Nach der
Geburt und 8 bis 12 Wochen später muss wieder ein 2-stündiger Zuckerbelastungstest
durchgeführt werden. Sind die Werte bei dieser Untersuchung in Ordnung, dann
reichen Kontrollen in 2-jährigen Abständen.
Das Risiko, später einen Diabetes zu bekommen, können Sie senken, indem Sie:
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das Normalgewicht halten und Übergewicht vermeiden |
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körperlich
aktiv sind (z.B. regelmäßig Sport betreiben) |
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sich
gesund ernähren. |
Zusammenfassung
Leichte Schädigungen des Zentralnervensystems des Kindes, durch eine
Unterzuckerung nach der Geburt, können im späteren Leben zu Verhaltensstörungen
und psychomotorischen Auffälligkeiten führen. Jedes dritte Kind einer Frau mit
nicht erkanntem SS-Diabetes ist mit 30 Jahren selbst zuckerkrank und übergewichtig.
90% der Mütter selbst bekommen später einen Altersdiabetes (Typ II Diabetes). Bei 4% bleibt der
Zuckerstoffwechsel leider sofort nach der Geburt gestört.
Durch diese einfache Maßnahme eines Zuckerbelastungstests zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche kann
eine optimale Betreuung in der Schwangerschaft gewährleistet und viele neue
Diabeteserkrankungen und Spätschäden verhindert werden.
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