Die prädiktive (voraussagende) genetische Diagnostik
Untersuchungen des Erbmaterials können auf der Stufe der Chromosomen oder der Gene
erfolgen. Sie setzen einen körperlichen Eingriff voraus (invasive Pränataldiagnostik). Im Rahmen der künstlichen Befruchtung aber können diese Untersuchungen
schon an der befruchteten Eizelle vorgenommen werden. Falls sich hier genetische Auffälligkeiten zeigen, könnte diese befruchtete Eizelle gleich
wieder verworfen werden (= Präimplantationsdiagnostik).
Genetische Untersuchungen haben die Besonderheit, dass sie nicht nur der Abklärung
einer sichtbaren Störung dienen, sondern dass sie prinzipiell auch krankhafte Störungen voraussagen oder ausschließen können, die sich erst
im späteren Leben zeigen
Da für inzwischen sehr viele Krankheiten die verantwortlichen Gene bekannt
sind, kann man die Diagnose molekulargenetisch bestätigen. Insbesondere ist im familiären Zusammenhang auch eine prädiktive genetische Diagnose möglich.
Während der Arzt traditionell mit einem Patienten konfrontiert war, der Symptome
bietet, hat er jetzt mit der 'Risikoperson' ein neues Gegenüber.
Wegen der weitreichenden Konsequenzen der prädiktiven genetischen Diagnostik muss
vor deren Durchführung immer eine genetische Beratung durch einen Humangenetiker erfolgen.
Ethische Aspekte
Zum einem….
hat im Jahre 1999 der Oberste Gerichtshof in einer Aufsehen erregenden
Entscheidung (1Ob 91/99k) ausgesprochen, dass ein Arzt, der die mögliche Aufklärung der Mutter über eine Behinderung eines ungeborenen Kindes
unterlässt, den durch die Behinderung entstehenden Mehraufwand als Schaden zu ersetzen hat, sofern die Mutter bei Kenntnis von der Behinderung
die Schwangerschaft abbrechen lassen hätte. Das bedeutet, dass wir Ärzte durchaus gezwungen
sind, alle zur Verfügung stehenden pränatal diagnostischen Möglichkeiten
anzubieten.
Zum anderen….
erlaubt das derzeit flächendeckende
Screening keine 100%ige Diagnose. Aus diesem
Grund kommen jedes Jahr Kinder mit Down Syndrom zur Welt, welche beim nicht invasiven Screening unauffällig waren.
Weiteres kann man bisher nur in einigen Fällen mit Gentests Spätfolgen verhindern. Der Großteil dieser Tests liefert keine eindeutigen Daten oder
es gibt noch keine Behandlungsmöglichkeiten.
Nach meiner Ansicht ist eine pränatale Diagnostik (also das Suchen von Ungeborenen nach Fehlbildungen) sinnvoll und ärztlich geboten, wenn dadurch eine Erkrankung oder Behinderung des Kindes in der schwangeren Gebärmutter
(intrauterin) behandelt oder für eine rechtzeitig Therapie unmittelbar nach der Geburt des Kindes (postnatal) gesorgt werden kann.
Mit Hilfe der genetischen Pränataldiagnostik bietet sich in Zukunft die große Chance, nicht erst die Symptome einer bei der Geburt des Kindes bereits irreversiblen Erkrankung zu therapieren, sondern das
Entstehen des Krankheitsbildes im Mutterleib zu verhindern (zitiert nach Univ. Prof. Dr. Andreas Lischka,
und Univ. Prof. Dr. Heinrich Salzer, Sept.2004).
Immer wieder entscheiden sich schwangere Frauen und deren Familien ganz bewusst für
ihr Kind mit
Down-Syndrom Syndrom. Um diese Menschen zu unterstützen, existiert seit einem halben Jahr eine Gruppe der Lebenshilfe in Tirol. Die Leiterin
ist Frau Christl Kurzawa, die sich gemeinsam mit Frau Dr. Waltraud Juranek, welche als selbst betroffener Elternteil genau weiß worüber sie spricht,
auch für andere Eltern, die ein Neugeborenes mit Down Syndrom bekommen haben, zur Verfügung stellen.
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Als Frauenarzt und Geburtshelfer versuche ich, nach vorausgehender ausführlicher
Beratung, die technisch möglichen Untersuchungen anzubieten. Eine Rasterfahndung, durch welche alle Eltern gezwungen werden,
sich diesen
Untersuchungen zu unterwerfen, lehne ich ab. |
Wir Ärzte sind vielmehr dazu aufgerufen, besonders jene Familien zu unterstützen,
die sich bewusst für einen behinderten Menschen entscheiden.
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